Wir sind das Kapital by Günter Faltin
Highlighted sections
Nicht die Herstellung von Produkten sei der Engpass, sondern ihr Absatz. Daher werde eine riesige Verkaufsmaschinerie aufgefahren. Die Investitionen in Werbung, Marken und Image verschlängen inzwischen mehr Geld als die Produktion. Statt die Menschen zu stärken, spielten die Manager des Marketingzirkus auf den Minderwertigkeitsgefühlen der Menschen Klavier. Die Psyche des Menschen werde mit wissenschaftlichen Mitteln durchleuchtet, um bessere Verkaufsstrategien zu ermitteln.
Die Nachrichten des Marketings sind sorgfältig ausgewählt, den Empfänger mit einem Gefühl der Minderwertigkeit zurück zu lassen. Erst wenn das Produkt gekauft oder die Dienstleistung beauftragt wurde, kann diese Leere gefüllt und der nächste Schritt zur Vollkommenheit erreicht werden.
Heute müssen wir feststellen, dass es beim Konsum keine natürliche Sättigungsgrenze gibt. Zwar legen Studien nahe, dass in den reichen Ländern ein Zuwachs an Konsum nicht zufriedener macht. Dennoch konsumieren wir mehr. Wir verschieben unsere Wunschvorstellungen ständig nach oben. Wenn dann noch der Druck der Marketingindustrie dazukommt, werden unsere Bedürfnisse gänzlich unerschöpflich.
Das durch Marketing geschaffene Gefühl von Minderwertigkeit ist nach oben offen…
Es ist das Marketing, das Produkte teuer macht. Die hohen Einsparungen, die der technische Fortschritt mit sich bringt, werden uns vorenthalten.
Warum sollen Käufer für die Kosten der Produktwerbung aufkommen, wenn Produktionskosten immer niedriger werden?
Was andere Menschen vielleicht für Disziplin hielten, sei in Wirklichkeit eine Verabredung zum Spielen, die wir mit unserem »Künstler-Kind« getroffen hätten. Sie – Cameron – sei im Laufe ihrer Arbeit zu der Überzeugung gelangt, dass Kreativität unsere wahre Natur sei. »Wenn Du das zu Deiner Aufgabe machst, was Dir Spaß macht, brauchst Du Dein Leben lang nicht zu arbeiten.«
Ich will damit sagen, dass Sie gar nicht so weit suchen müssen, gar nicht in unbekannte, analytische Tiefen hinabsteigen müssen, um herauszufinden, was Ihnen wichtig ist. Die Nähe zu anderen Menschen vielleicht, die Nähe zur Natur, Verbundenheit mit Kunstschaffenden, Kunstbetrachtung, Nähe zu kreativen, experimentellen Räumen oder auch bewährten Pfaden folgend. Es geht um Sie, um Ihr geglücktes Leben.
Dieser Gedanke ist nicht neu, auch wenn es so klingen mag. Es geht um den Übergang von einer quantitativen Sicht- und Denkweise zu einer qualitativen Lebenssicht, wie er bereits Ende der 1990er-Jahre in der Studie Zukunftsfähiges Deutschland mit dem Gedanken »Mehr Zeitwohlstand statt Güterreichtum« dargelegt wurde.
Sein statt Haben.
Wenn wir vom Nutzen her denken, geht es auch nicht mehr um Verzicht. Man verzichtet auf nichts, wenn man vom Besitz eines Automobils auf die Nutzung umsteigt. Es ist damit kein Verzicht auf Mobilität verbunden. »Nutzen statt Besitzen« – eine erste Gruppe von Konsumenten erkennt, dass sie mit einer solchen Handlungsanleitung sogar einen Wohlstandsgewinn erzielt.
Nutzen statt besitzen
Ja, wir haben die Chance, eine bessere Welt zu gestalten. Liebevoller, witziger, feinfühliger und künstlerischer, als es je zuvor möglich gewesen war. Aber wir müssen selbst in den Ring steigen, es selbst in Gang bringen, es selbst unternehmen. Es nicht den Aristokraten überlassen, den Gschaftlhubern oder den schnellen Jungs. Wir müssen selbst aktiv werden. Als Entrepreneure, als genügsame, aber als zukunftsfähig Handelnde. Bescheidener, was den Verbrauch an Ressourcen angeht. Anspruchsvoller, wenn es um geglücktes Leben geht.