WWHTBT: eine Wunderfrage für adaptive Strategiearbeit

Eine Session des AGILE.RUHR Camp 2024.

Intro

Stellt euch mal vor:

Es ist Freitag Nachmittag. Der zweite Tag des Strategie-Retreats.

Ihr sitzt wieder in dem großen Meetingraum, in dem ihr schon viele wichtige strategische Themen diskutiert habt. Wo ihr schon tausende Powerpoint-Slides gesehen habt.

In der Mitte steht ein langer Tisch, daran viele Stühle. Ihr guckt nach links und nach rechts und seht eure Kolleg:innen.

Manche sitzen nach vorne gelehnt, diskutieren in mehreren Grüppchen, andere lehnen sich nach hinten und schauen aus dem Fenster in die Ferne.

Die Luft ist wörtlich und sprichwörtlich raus.

Die Produktleiterin meint, es brauch ein neues Produkt, um auf die den Wettbewerber zu reagieren. „Wir sparen uns sonst tot.“ Die Finanzchefin sieht keine weiteren Investitionen, dafür ist kein Spielraum da. Sie möchte lieber Ausgaben reduzieren.

Nach heißen Diskussionen könnt ihr euch als Gruppe immer noch nicht einigen, ob der Vorschlag der Produktleiterin oder der kaufmännischen Leiterin besser ist. Die Dynamik ist raus und die Strategierunde frustriert.

Wir kommen wieder zurück ins Unperfekthaus. Mal kurz Hände hoch: wem kommt dieses Szenario bekannt vor?

Wie kommt es zu so einer Situation?

  1. Beide Parteien habe gute Gründe für ihre Option.
  2. Beide Parteien glauben etwas, was die andere nicht glaubt.
  3. Kritische Stimmen werden verdrängt.
  4. Beide Parteien wollen die andere überreden, sich für die eigene Option zu entscheiden.

Die Pattsituation mit einer Frage auflösen

What would have to be true? Was müsste wahr sein?

Die Frage „Was müsste wahr sein?“ ermutigt die Teammitglieder, sich für verschiedene Möglichkeiten und Szenarien zu öffnen, auch für solche, die zunächst unwahrscheinlich oder schwierig erscheinen mögen. Diese Offenheit kann zu kreativeren und innovativeren Strategien führen, da ein breiteres Spektrum an Optionen in Betracht gezogen wird.

Bei der Bestimmung dessen, was wahr sein muss, werden die Teams unweigerlich auf potenzielle Risiken, Hindernisse und Herausforderungen stoßen, die den Erfolg behindern könnten. Vor allem kritische Stimmen bekommen den Raum ihre Bedenken zu äußern und zu formulieren, ab welchem Punkt ihre Bedenken geklärt sind.

Die Frage “Was müsste wahr sein?” bietet einen Ansatz für strategisches Denken, der mit dem konventionellen Verständnis von Strategie kollidieren kann. Dieser Konflikt entsteht oft, weil die Frage zu einer explorativen, Annahmen in Frage stellenden und auf Möglichkeiten ausgerichteten Denkweise drängt, die im Gegensatz zu traditionellen Strategieparadigmen stehen kann, die Vorhersehbarkeit, Kontrolle und lineare Planung betonen.

  • Ungewissheit annehmen
    • Konventionelle Sichtweise: Bei der traditionellen Strategie wird häufig versucht, die Unsicherheit durch umfassende Planung und Analyse zu minimieren.
    • WWHTBT?: Dieser Ansatz akzeptiert Ungewissheit als gegeben und ermutigt dazu, eine Reihe von Möglichkeiten zu erkunden, auch solche, die unsicher oder riskant erscheinen, um zu verstehen, welche Bedingungen zum Erfolg führen könnten.
  • Skeptiker einbinden
    • Konventionelle Sichtweise: Traditionell werden skeptische Interessengruppen als Bedrohung für einen bestimmten strategischen Weg angesehen. Ihre Meinungen und Entscheidungen müssen streng kontrolliert werden, damit sie sich nicht durchsetzen können.
    • WWHTBT?: Skeptische Stakeholder werden explizit angesprochen, indem Schwellenwerte vorgeschlagen werden, bei denen sie davon überzeugt werden können, eine strategische Richtung weiterzuverfolgen.
  • Handlungsoptionen finden
    • Konventionelle Sichtweise: Eine konventionelle Strategie zielt in erster Linie auf Effizienz und Optimierung innerhalb des aktuellen Geschäftsmodells und der Marktstruktur ab.
    • WWHTBT?: Dieser Ansatz fördert Innovation und Kreativität, indem er es den Strategen ermöglicht, sich neue Geschäftsmodelle, bahnbrechende Technologien und unbekannte Marktgebiete als potenzielle Wege zum Erfolg vorzustellen.

Ablauf

  1. Rahmen für die grundsätzliche Entscheidung abstecken, indem mindestens zwei verschiedene Wege für die Organisation (oder Kategorie, Funktion, Marke, Produkt usw.) aufgezeigt werden
  2. WWTHTB-Bedingungen formulieren
  3. WWHTBT-Bedingungen priorisieren
  4. Schwellenwerte für die kritischen Bedingungen benennen
  5. WWHTBT-Bedingungen mit Business Experimenten testen

Gruppenarbeit

Wir sind Management Consultants für agile Transformation. Aktuell beraten wir ausschließlich Startups. Dies führt zu wenigen langfristigen Mandaten, hohem Kostendruck der Klienten und hohen wirtschaftlichen (Ausfall-)Risiken.

Option 1 Erweiterung des Kundenstamms: Mittelständische Unternehmen und sogar Großunternehmen könnten von agilen Transformationsdiensten profitieren, besonders solche, die in traditionellen Branchen operieren und nach Möglichkeiten suchen, ihre Prozesse zu modernisieren. Das Erschließen neuer Marktsegmente kann zu stabileren und längerfristigen Mandaten führen.

Option 2 Produktisierung von Dienstleistungen: Entwickeln Sie auf Ihrem Fachwissen basierende Produkte, wie z.B. Software-Tools für das Projektmanagement, Schulungsmaterialien oder Zertifizierungskurse für agile Methoden. Diese Produkte können als eigenständige Angebote vermarktet oder in Ihre Beratungsdienstleistungen integriert werden, um den Kundenwert zu steigern und neue Einkommensquellen zu erschließen.

Erarbeitet für eine der beiden Optionen die WWHTBT-Bedingungen. Wählt eine kritische Bedingung aus und formuliert einen Schwellenwert, bei der die Bedingung erfüllt ist.

Jede Gruppe hat eine:n Facilitator:in. Die anderen sind das Strategieteam.

Hilfsfragen

  • Kund:innen in Spielfeldern: Was müsste wahr sein, damit
    • … potenzielle Kund:innen unser Produkt wahrnehmen?
    • … unsere Kanäle Kund:innen erreichen?
    • … über die Marktentwicklung der Zielgruppe neue Segmente in den nächsten Jahren entstehen?
  • Kernkompetenz: Was müsste wahr sein, damit
    • … wir fähig sind, unser Wertversprechen anbieten zu können?
    • … wir neue Fähigkeiten in unserer Organisation aufbauen können?
  • Struktur und Kultur: Was müsste wahr sein
    • … über unsere Organisation und das Verhalten der Mitarbeitenden?
    • … über die Technologien oder Daten, die wir benötigen?
    • … über die internen, kulturellen Kosten, um die neue Zielgruppe anzusprechen?
  • Umwelt: Was müsste wahr sein
    • … über andere Wettbewerber:innen und deren Reaktion auf unsere Option?
    • … über neue Wettbewerber:innen, die zukünftig auftreten?
    • … über Wettbewerb:innen, die unsere Option imitieren würden?
    • … über die Reaktion anderer Stakeholder auf die neue Option (Shareholder, Aktivist:innen, etc.)?

Zum Weiterlesen

Other notes with reference to this note

👋 Hej, I am Julian Peters. But many people call me Jupe.

As an independent consultant I help clients design strategies, digital products and user experiences. Straight from my hometown Dinslaken. If you enjoyed this content, share the link, toot me or subscribe to my RSS feed.